Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen – Eine Stellungnahme zum Antrag von CDU/AfD im Landtag von Thüringen zum Verbot von „Gendersprache“

„Gendern? Nein Danke!“ – unter dieser Überschrift stimmte der Thüringer Landtag Mitte November mit einer Mehrheit aus CDU, AfD und den „Bürgern für Thüringen“ für einen Antrag der thüringischen CDU-Fraktion. In diesem Antrag wurde Landtagspräsidentin Birgit Pommer (DIE LINKE) gebeten, dafür Sorge zu tragen, dass in öffentlichen Dokumenten „keine grammatisch falsche Gendersprache“ verwendet wird. Verantwortlich für die Regeln der deutschen Sprache sei „ausschließlich der Rat für deutsche Rechtschreibung“, so die CDU-Fraktion in ihrem Antrag, und dieser habe verkürzte Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen nicht zur Aufnahme in das Regelwerk der deutschen Sprache empfohlen. Mit dem „Zwang zur gegenderten Sprache“ grenze man außerdem Menschen, die nicht richtig lesen können, genauso aus wie integrationswillige Migranten, Menschen mit Seh- oder Hörbehinderung sowie alle, die auf „Leichte Sprache“ angewiesen seien.

„Lebendige Sprache zeichnet sich durch […] einer (sic!) gesellschaftlichen Akzeptanz Ihrer Regeln aus“, ist in dem Dokument zu lesen. Dass die CDU just in jenem Antrag, der die Einhaltung der deutschen Grammatik zum Inhalt hat, fälschlicherweise den Dativ statt des Akkusativs verwendet, ist dabei nur ein amüsantes Detail am Rande. Weitaus skurriler erscheint es, dass die rechten Parteien im Thüringer Landtag ausgerechnet beim Thema „Gendern“ ihr Herz für Migranten und Menschen mit Behinderung entdeckt haben wollen. Just beim Antrag der CDU fällt die Lesbarkeit mit einem Lesbarkeitsindex LIX von 67.12 jedoch extrem schlecht aus, obwohl hier gar keine verkürzten Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Ausdrücke (also z. B. „Gender-Stern“ oder „Gender-Gap“) verwendet wurden. Der Gender-Doppelpunkt hätte bei einer solch schwer lesbaren Sprache also das Kraut ganz sicher nicht mehr fett gemacht. Die Sorge um die Verständlichkeit der Sprache scheint also bei der thüringischen CDU an den eigenen geistigen Ergüssen Halt zu machen. 

Auch an anderer Stelle scheinen die Christdemokraten die Regeln, auf deren Einhaltung sie im Antrag so streng pochen, für sich selbst nicht ganz so eng zu interpretieren. So fordern sie beispielsweise einen „entspannteren Umgang“ mit der Verwendung des generischen Maskulinums. Dabei hat der Rat für deutsche Rechtschreibung, auf den sich der Antrag als alleinige Instanz zur Formulierung der deutschen Rechtschreibregeln beruft, in seiner Empfehlung vom März 2021 explizit betont, dass „allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden soll“. Lediglich die verkürzten Formen wie „Gender-Stern“ oder „Gender-Gap“ hat der Rat aktuell (noch) nicht zur Aufnahme in das amtliche Regelwerk empfohlen. Wissenschaftlich ist es extrem gut belegt, dass das generische Maskulinum gerade nicht den Anforderungen des Rechtschreibrats nach geschlechtergerechter Sprache genügt. So publizierte der renommierte Kognitionsforscher Prof. Dr. Tobias Richter, Lehrstuhlinhaber an der Uni Würzburg, erst letztes Jahr zusammen mit Wissenschaftlerinnen der Uni Darmstadt eine Studie, in der nachgewiesen wurde, dass Frauen bei Verwendung des generischen Maskulinums eben doch bedeutsam weniger „mitgedacht“ werden als Männer.

Das, was uns Grüne von der anderen Seite des politischen Spektrums unterscheidet, ist nicht etwa der Umstand, dass wir andere Menschen zu einer bestimmten Ausgestaltung der Sprache zwingen wollen, es ist vielmehr der Umstand, dass wir selbst mit unserer Sprache auf benachteiligte Gruppen Rücksicht nehmen möchten.

Stellungnahme zum Antrag von CDU/AfD im Landtag von Thüringen zum Verbot von „Gendersprache“, Pressemitteilung vom 21.11.2022

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